Dienstag, 5. Juni 2012

"Die Glücklichen sterben zuerst" - Kritik: The Hills Have Eyes - Hügel der blutigen Augen



»Ihr habt uns zu dem gemacht, was wir geworden sind!« - Nun da ich jetzt den Vergleich habe, ist der Prozess über Sinngebung und Eingebung eines Remakes natürlich gefragt. Immerhin ist es mir so möglich wirklich zwischen den beiden Filmen zu distanzieren, obgleich ich vorher erst immer gespalten zum Thema »Remake« hierbei stand, doch auch werte Dokumentationen und Wohlgesinnte des Films brachten mich letztlich dazu eben diesem noch eine Chance zu geben und so vielleicht sogar aus anderen Perspektiven zu sehen, so kann sich also das Sehverhalten von heute auf morgen ändern und auf einmal ist man auf solche Remakes gespannt wie bei dem von "The Hills Have Eyes", obgleich natürlich der Franzose Alexandre Aja dahinter an sich nun kein Grottenregisseur ist - trotz Spaltung optimistisch und aufgeschlossen (eine Seltenheit meinerseits) bei Ajas Remake aus dem Jahre 2006 von Wes Cavens genreprägenden Klassiker aus den 70er Jahren. Es mag insofern wohl mehr als für das Remake sprechen, dass immerhin »Master of Horror« Wes Craven selbst als Produzent fungierte und auch am Drehbuch mitwirkte, was sich deutlich in dem Film selbst aufzeigt, nicht nur qualitativ.



Nicht nur, dass insofern Aja selbst auch Cravens Original zunächst mal würdig referiert. Und eines hat so gesehen das Remake von Aja dem Original in der Synchro vorraus, es gibt keine bescheuerten Außerirdischen als Gegenentwurf. Schon in den ersten Minuten zeigt sich dabei aber auch auf was Aja in seinem Film hinsteuert und wie er seine Karten geschickt ausspielt. Ich finde es hierbei mehr als vorbildlich, dass Aja soweit auch die politische Note und die kritische Seite von Cravens Film teils beibehält, auch wenn seine Intention vielleicht dabei sogar noch eine etwas andere sein mag, da er hierbei eine deutliche politische Stellung bezieht und auch Kritik an der Atompolitik übt, wie bei Craven mit vielerlei blutigen Metaphern und symbolischen Andeutungen, wobei besonders letzterer Punkt der Atompolitik bei Aja sich wesentlich deutlicher abzeichnet, wo Craven noch andeutete - das beweist allein der begnadete Einstieg und so schildert er auch hintergründiger die Möglichkeiten jener Entstehung in den unheilvollen Hügel. Nach W-Fragen-Prinzip geordnet: Wieso? Weshalb? Warum? Wo Craven bekanntlich noch den Zuschauer selbst urteilen und überlegen ließ, wobei er somit ihm auch mehr Freiheiten bei eben jener Interpretation des Werkes gab, obgleich dies vielleicht demnach auch den zeitlichen Umständen geschuldet wäre. In jedem Fall ist Ajas Remake so selbstredend den heutigen Sehgewohnheiten angepasster. Andererseits setzt aber Aja gleichzeitig auch auf viele bekannte Motive von Cravens amerikanischer Filmfamilie, wie schon bei Craven selbst: Das prototypiserte, perfekte Bild einer amerikanischen Arbeiterfamilie. Familienoberhaupt "Big Bob" (dominant-republikanisch: Ted Levine) pensionierter Polizist und fahnenschwingender, waffenfreudiger Republikaner, mit traditionellen Familienwerten und so zeichnet auch Aja seine Charaktere als Extremklischees und Stereotypen der Gesellschaft, verknüpft dies aber gleichzeitig mit seinen politischen Ambitionen und mancherlei moderner Konvention in Hinsicht der Jugend. Im Vordergrund steht dabei besonders der Konflikt zwischen Vater Bob (Republikaner) und seinem Schwiegersohn Doug (Demokrat), der wiederum nicht an die Waffengewalt zunächst glauben mag, ohne jegliches Ziel, was Aja auch mit einem kurzen Ausspruch klarstellt, auch wenn er sich dadurch keineswegs von den Charakteren Cravens distanziert.



So strebt er doch insofern auch eine gewisse Modernisierung (mit klischeehaften Attributen jener, auch wenn sie Aja weniger gelungen überspitzt als Craven) dieser an wie auch der Handlung, welche in die heutige Zeit transferiert wird, wodurch er wie viele andere Remakes in die Schleife der wenigen Innovationen hineinschreitet. Und ich mich so teils fragte, inwieweit Aja überhaupt dem Original etwas hinzu zu fügen weiß, in Anbetracht dieses Denkens folgt Aja recht linear der Handlung (»In der Wüste strandet Arbeiterfamilie mit Wohnmobil und wird bedroht von degenerierten Mutanten«) und deren Zügen des Originals (wenn auch präziser geschildert), obgleich ihn letztlich aber doch der Sprung glückt und sich so von Cravens Film gekonnt lösen kann, um eigene Stilmittel miteinzubinden, wenn selbst der Demokrat zum Patriot wird und sich die hell aufleuchtenden Metaphern überschlagen, dass man es fast als schwarzhumorig bezeichnen möchte. Es sind die kleinen Details, die Ajas Film insofern strahlen lassen. Daneben noch ausgerüstet mit Kamera und furioser Optik, die diese stilistischen Kleinigkeiten betont und dazu eine gewisse Ästhetik zeigt, was zwar etwas glanzvoll sein mag und durchaus etwas fragwürdig in Bezug auf die Erzeugung von Terror, aber doch zeigt Aja so seine persönliche Note - die rohe, trockene und dreckige Atmosphäre ist zudem eh zu Genüge vorhanden und spiegelt doch wunderbar das Gefühl des Originals wieder, was Aja auch deutlich und angemessen in Hinsicht des Soundtracks (»California Dreamin´«) erkennen lässt und so wird zitiert und sich nahezu vor ihm verneigt. Was Ajas Regie selbst angeht, so muss ich doch sagen, dass es mich insofern überrascht, dass sich Aja gar nicht mal so weit im Verlauf von der Cravens distanziert, auch er beginnt gediegen und lässt (wenn auch verstärkter) Unheil sähen, hierbei profitiert er enorm von der geschaffenen Atmosphäre und den exzellenten Kamerafahrten wie auch den präzisen Schnitten. Bevor er den Terror entfesseln lässt, dass dieser dann wesentlich härter, blutiger, angepasster und brutaler in der Ausführung daherkommt ist mehr als plausibel, wenn auch jeweils den zeitlichen Umständen und den heutigen Sehgewohnheiten geschuldet. Wo Craven seine Möglichkeiten seiner Zeit bereits vollkommen ausarten ließ, darf Aja noch einen Schritt weitergehen, während sein Film von einem unterschwelligen Score untermalt wird.




Gerade diese Brechung im letzten Drittel lässt Ajas Remake also aus dem Schatten seines Originals treten und seinen eigenen perfiden wie auch konsequenten Charme daran entwickeln und somit doch zu einem eigenständigen Werk werden, dass wie ich es immer meinte, gar nicht so unsinnig seie dieses zu produzieren. Denn glücklicherweise schafft es Aja seine ganz eigene Variation des Terrors zu kreieren, jedoch im Sinne Wes Cravens, und dabei seine politischen wie kritischen Phrasen interessant zu verpacken, wie auch seine stilistischen Stärken zu fördern. Im heutigen Genreverfallssumpf schon etwas besonderes, nicht nur weil sich Alexandre Ajas "The Hills Have Eyes" auf die Grundsubstanz des Terrorkinos beruft, sondern auch weil er sie angemessen zitiert und das macht ihn wohl zu einem durchaus gutem Remake. Eine echte Rarität.



7.0 / 10

Autor: Hoffman 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen